Borussia Mönchengladbach ist Tabellenführer – aber die Schlagzeilen gehören den Bayern

Bundesligatabelle am 02.11.2019

Bundesligatabelle am 02.11.2019

Eines vorweg: Hier darf bitte niemand eine neutrale Stellungnahme erwarten. Immerhin bin ich seit vielen Jahren Anhänger der Fohlen und Vereinsmitglied.

Vor fünfzig Jahren war Mönchengladbach erstmals Tabellenführer. Aber die derzeitige Situation ist eine wahre Sensation: Zum vierten Mal hintereinander verteidigte Borussia Mönchengladbach durch einen 2:1-Sieg in Leverkusen die Tabellenspitze. Die Zeiten, in denen ähnliches zuletzt geschah, liegen über vierzig Jahre zurück. Damals entstand der bis heute nachhallende Mythos rund um den Gladbacher Verein für Leibesübungen, der viel mit Spielwitz, Schnelligkeit und Konterfußball zu tun hat.

Wer den Gladbachern heute zuschaut und bereits vor 50 Jahren am Samstagsabend regelmäßig die Sportschau verfolgte, fühlt sich in der Tat an die damaligen Glanzzeiten erinnert. Aber so recht will (noch) niemand daran glauben, dass der aktuelle Höhenflug einer von Dauer ist und die Saison mit dem Gewinn der ersten Meisterschaft seit zweiundvierzig Jahren beendet werden kann. Zu stark ist die Konkurrenz, zu wenig Nachhaltigkeit wird der Mannschaft zugetraut.

Borussia-Fohlen

Für die Tabellenführung der Fohlen steht auch nicht nur die eigene Stärke, sondern sie ist noch viel mehr den Schwächen der üblicherweise des Titels Verdächtigen zu verdanken: Bayern München, Borussia Dortmund, RB Leipzig, aber auch Wolfsburg, Leipzig und Leverkusen scheinen eigentlich die erheblich besseren Chancen zu haben. Immerhin ist die Saison nach zehn Spieltagen noch nicht einmal zu einem Drittel abgearbeitet. Die meisten der zig Millionen „Fußballexperten“ hierzulande denken, dass es die Bayern schon noch packen, die Trendwende bewirken und im Mai deutscher Meister werden.

Wahrscheinlich ist diese Erwartung auch ein Grund dafür, dass nicht etwa der von niemandem vorhergesagte Gladbacher Höhenflug die Schlagzeilen dieser Tage bestimmt, sondern das, was in den Konkurrenzvereinen vorgeht. Sieht man sich die Sportnachrichten bei Google News an, erscheint aktuell (3.11.2019; 10:56 Uhr) folgender Nachrichten-Stream:

  1. FC Bayern in der Krise: Der Offenbarungseid
  2. FC Bayern: Was jetzt für Niko Kovac spricht und was gegen ihn
  3. Formel 1 in den USA: Pole Position – Valtteri Bottas beendet Ferrari-Serie
  4. Sebastian Vettel wundert sich über Marihuana und meckert über Bodenwellen
  5. Bayern-Schock: Bayern München ohne drei Verteidiger gegen BVB
  6. BVB-Doppelschlag nach der Pause beendet Wolfsburgs Serie
  7. Bastian Schweinsteiger über José Mourinho, Borussia Dortmund, Bayern
  8. FC Bayern: Schweinsteiger rät Müller zu Wechsel – Mourinho könnte gut zum BVB passen
  9. Pyroangriffe und Platzstürme: Friedlicher Derbytag in Berlin nimmt unrühmliches Ende
  10. Pyro, Platzsturm, Union-Party:Chaoten überschatten Berlin-Derby
  11. Boxen: Saul „Canelo“ Alvarez schlägt Sergey Kovalev im Halbschwergewicht
  12. Saúl Álvarez: Der Boxer, der am „Tag der Toten“ unsterblich werden will
  13. Primera División: Barcelona kassiert drei Gegentore in acht Minuten
  14. La Liga: UD Levante – FC Barcelona 3:1 – Barca blamiert sich – Real stolpert gegen Betis
  15. Fußball, Hockey, Formel 1 – was heute wichtig wird
  16. Thuram lässt Gladbach träumen:Leipzig trifft historisch, BVB siegt cool

Fünf der ersten fünfzehn Meldungen (und auch fünf der ersten acht) drehen sich um den FC Bayern und seine Probleme, der doch tatsächlich nicht an erster, sondern erst an vierter Stelle der Tabelle auftaucht. Welch ein Krise! Wetten, dass Trainer Kovacs restliche Amtszeit nur nach Tagen, kaum nach Wochen zu bemessen ist?

Lange wird er’s also nicht mehr machen, über den potentiellen Nachfolger wird bereits intensiv diskutiert. Das ist den Medienmachern allemal wichtiger, als sich mit dem sensationellen Zwischenerfolg der Gladbacher zu befassen, um die man sich in einem auf Rang 16 gelisteten Beitrag kümmert – wobei die Fohlen sich diese Aufmerksamkeit noch mit allen anderen beteiligten Vereinen teilen müssen, die gestern gespielt haben, denn der Artikel kommentiert alle diese Bundesligaspiele in einem Rutsch.

Nun ist der Algorithmus von Herrn Google vielleicht nicht unbedingt das Maß aller Dinge, für die öffentliche Wahrnehmung aber auch nicht weit davon entfernt. Und auch in den TV-Sportsendungen ist der FC Bayern das Thema, die Gladbacher Borussia bestenfalls eine Randnotiz.

Ändern lässt sich daran nichts. Aber wundern oder auch ärgern darf man sich darüber schon. Es macht auch nichts, dass Mönchengladbach momentan nicht so sehr wegen der eigenen Qualitäten da oben steht, sondern schon eher wegen der Schwächephasen einiger Top-Klubs. Denn die Borussen werden in dieser Saison bestimmt nicht deutscher Meister – dazu sind sie zu unbeständig und, sagen wir es mal ganz deutlich, einfach nicht gut genug.

Das sagt mein Verstand. Aber hat der mich nicht auch schon oft genug im Stich gelassen? Ich glaube darum an die Meisterschaft. Ganz fest. Oder zumindest ein wenig. Vor allem nachts. Und kaum einer hat es am Ende mitgekriegt, weil alle die ganze Saison lang über den FC Bayern lamentiert haben.

Deutscher Meister wird nur der VfL!

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.