Annalena Baerbock macht’s

Annalena Baerbock

Annalena Baerbock, Bündnis 90/Die Grünen - Bild: Urban Zintel

Während sich die Union vor aller Augen genussvoll in ihre Bestandteile zerlegt, machen die Grünen Nägel mit Köpfen: Annalena Baerbock soll als Kanzlerkandidatin Bündnis 90 / Die Grünen im Wahlkampf zur Bundestagswahl am 26. September anführen.

Diese Entscheidung gaben Baerbock und ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck in Berlin bekannt. Auch die Grünen hatten sich lange Zeit gelassen mit der Nominierung ihrer Spitzenkandidatin, schließlich aber das heutige Datum als Termin für die Bekanntgabe eines Namens genannt und genau das dann auch umgesetzt.

Nach außen vollkommen ruhig und verschwiegen ging die Einigung zwischen den beiden Parteivorsitzenden vonstatten, keinerlei Störgeräusche, geschweige denn offene Auseinandersetzungen waren im Vorfeld vernehmbar. Ob Baerbock die „Frauenkarte“ gezogen hat oder andere Gründe für ihre Nominierung ausschlaggebend waren, lässt sich momentan nicht sagen. Mitte Juni muss noch der Parteitag zustimmen, was aber ebenfalls problemlos über die Bühne gehen sollte.

Die Grünen machten damit der Union eindrucksvoll vor, wie man auf seriöse Art ein solches Personalproblem mit zwei ziemlich gleichwertigen Kandidat*innen löst. Die nämlich hat auch die zuletzt genannte Frist gestern verstreichen lassen, innerhalb derer sich Markus Söder und Armin Laschet hätten einigen sollen. Und so dauert das unwürdige Schauspiel an, das die beiden der Wählerschaft mit ihrem Nominierungsstreit liefern.

Vermutlich wird diesen unerbittlichen Machtkampf wohl letztendlich Söder für sich entscheiden, nachdem klar wurde, dass Werte und Charaktereigenschaften den CDU-Funktionsträgern nichts bedeuten, wenn aktuell gute Umfragewerte eines Kandidaten die besseren Siegchancen bei der Wahl im Herbst verheißen. Der vom Wahlvolk mehrheitlich als schwammiger Zauderer wahrgenommene Laschet mag zwar ein festes Gerüst aus Grundüberzeugungen vorweisen können, während Söder immer wieder sein Fähnchen nach dem Wind dreht und vor lauter Machtgier beim Griff nach der Kanzlerschaft mit aller Rücksichtslosigkeit operiert und keine Gefangenen macht, kommt sein Populismus gut an beim Publikum und verschafft ihm den, wie ich glaube, entscheidenden Vorteil.

Vielleicht werden Historiker später einmal das Frühjahr 2021 als den Beginn des Trumpismus in Deutschland markieren. Vergleiche mit US-amerikanischen Vorwahlen und dem letzten Präsidentschaftswahlkampf drängen sich auf. Die CDU wird sich nun kurzfristig entscheiden müssen, ob sie die Pest wählt oder die Cholera. Aber wer die CDU ist, weiß sie ja offenbar selbst nicht; ihre gewählte Führung ist es offenbar nicht, eher schon die von Eigeninteressen und Existenzängsten gejagten Unions-Hinterbänkler im Bundestag, die wohl letztendlich den Ausschlag geben werden.

All dies kann den Grünen erstmal egal sein. Ich glaube aber, dass Söder als Gegenkandidat die Chancen auf eine Regierung ohne Unionsbeteiligung eher erhöht, denn Angriffsflächen bietet er zur Genüge. Sie müssen nur so effektiv genutzt werden, dass das Wahlvolk auch versteht, welche schweren Folgen die Übernahme der Kanzlerschaft durch einen prinzipien- und charakterlosen Populisten hat, wie sehr damit zu rechnen ist, dass Söder immer Politik für Bayern machen wird, ihm Deutschland und Europa aber weitgehend am Arsch vorbeigehen. Auch Söders Haltung gegenüber Möchtegern-Diktatoren wie Orban müsste dem Durchschnittswähler eigentlich eine ordentliche Portion Angst einjagen.

Eine andere Hoffnung ist das „Gesetz der Serie“, und in diesem Fall kommt noch die Weisheit „Aller guten Dinge sind drei“ hinzu. Denn bisher gelang es noch keinem von der CSU gestellten Kanzlerkandidaten, ins Kanzleramt einzuziehen: Franz Josef Strauß scheiterte 1980, Edmund Stoiber 2002.

Womöglich aber überkommt im restlichen Deutschland viele Wahlberechtigte auch noch direkt an der Wahlurne der durchaus weit verbreitete Widerwille gegen einen Kanzlerkandidaten aus Bayern – egal, wie im April die Umfragen aussahen. Dann könnte es tatsächlich zu einer Ampel kommen, womöglich gar zu Grün-Rot-Rot. Und ich würde mich entzückt an meinen Beitrag vom 16. März erinnern, den Klugscheißer in mir rauslassen und frohlocken: Siehstemal, recht gehabt! (Bundeskanzlerin Baerbock? Wir sollten uns schon mal dran gewöhnen)

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