Das so genannte „Google-Urteil“ verpflichtet Suchmaschinenbetreiber zur Entfernung von Links aus den Ergebnislisten der Suchfunktion. Die Webseite selbst, auf der sich der störende Inhalt befindet, bleibt ebenso weiter bestehen wie völlig unklar ist, welche Voraussetzungen im Detail für ein erfolgreiches Löschungsersuchen erfüllt sein müssen.
Früher schrieb man hinter dessen Rücken „Dieter ist doof“ an die Tafel im Klassenzimmer, wenn man besagten Mitschüler nicht leiden konnte. Der Kreis derer, die von der Schmähung erfuhren, war ebenso begrenzt wie die Lebensdauer der Botschaft, die sofort nach Erscheinen des Lehrers von der Tafel gewischt wurde.
Heute geht das anders – ganz abgesehen davon, dass keiner mehr Dieter heißt: Die Möglichkeiten zur Verbreitung von wahren oder unwahren Behauptungen sind im Internet schier unbegrenzt. Viele Informationen, vor allem aber auch Fotos, werden aus einer Laune heraus oder in Unkenntnis der künftigen Folgen einfach mal ins Netz gestellt. Mit der als „Google-Urteil“ griffig bezeichneten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs werden Suchmaschinenbetreiber jetzt verpflichtet, unerwünschte Daten über die eigene Person aus den Suchergebnissen löschen zu lassen.
Wie gesagt: Aus den Suchergebnissen. Die Webseite selbst, auf der sich die Informationen befinden, gibt es nach wie vor, bestehende Links dorthin von anderen Internetseiten ebenfalls. Nur die Suche über Google oder eine andere Suchmaschine – was aber bei einem Google-Marktanteil von über 90 Prozent in Deutschland weniger häufig vorkommt – wird nicht mehr auf die ungeliebte Webseite verweisen, wenn der eigene Name als Suchbegriff eingegeben wird. Wer Unwahrheiten oder Beleidigungen aus dem Netz entfernen lassen will, kann das bereits jetzt, so er denn den damit verbundenen Aufwand nicht scheut.
Was also bringt das „Google-Urteil“? Amerikaner, die bedenkenlos ihre Chlorhühnchen verzehren und Trinkwasser in Bälde nur noch flaschenweise gegen viel Geld werden erstehen können, weil sie ihr Grundwasser durch Fracking verseucht haben, während sie Datenschutz für entbehrlich und Persönlichkeitsrechte für ein Schimpfwort halten, regen sich furchtbar auf über diese Internet-Zensur in Europa. Google und andere allerdings werden sich an die hiesige Rechtslage halten müssen, wenn sie auf dem europäischen Markt Geld verdienen wollen. Und es wird nicht relevant sein, ob die Server woanders stehen.
Für die Menschen in Europa ändert sich nicht viel. Na schön, wenn erstmal die Bedingungen klar sind, unter denen die Suchergebnisse bereinigt werden müssen, also etliche Gerichtsverfahren später, ist vielleicht die Seite nicht mehr ganz so leicht auffindbar, auf der von der Fünf in Mathe eines Zwölfjährigen berichtet wird, der das mit Vierzig nicht mehr lesen will und auch nicht möchte, dass seine Kinder jede Aufforderung zum Lernen mit den entsprechenden Links kontern. Aber ob Dieter wirklich immer noch doof ist, wird sich wohl nur bei einem persönlichen Wiedersehen klären lassen. Moment mal, hatte der nicht auch Fünfen? Hoffentlich ist er bei Google überhaupt noch zu finden.