Uli Hoeneß ist kein Sonderfall

Das Mitleid wird eimerweise über ihm ausgeschüttet. Immerhin hat er doch über so viele Jahre ein so großes soziales Engagement gezeigt. Und seine Verdienste um den deutschen Fußball sind gar nicht hoch genug einzuschätzen. Da muss man doch wegen eines kleinen Fehlers nicht gleich den Stab brechen über dem Bayern-Präsidenten.

Das mag alles stimmen, das mit den Verdiensten. Wobei man auch bedenken könnte, mit welchen Methoden Uli Hoeneß vorging, wenn er zum Beispiel jedem Liga-Konkurrenten, der seine Nase ein paar Zentimeter über die Grasnarbe hob, die besten Spieler wegkaufte – um sie dann oft genug in München auf die Bank zu setzen. Oder man könnte sich erinnern, wie alles begann, damals, in den Siebzigern: Bayern München konnte seine Heimspiele nämlich im mit öffentlichen Mitteln neu errichteten Olympiastadion vor rund 80 000 Zuschauern ausrichten, womit der Grundstock für den finanziellen Aufstieg des Vereins gelegt war. Das Stadion der Gladbacher fasste nicht einmal halb so viele, ihnen wurde kein größeres geschenkt, und der Konkurrent war abgehängt.

Einiges von dem, was Hoeneß als Erfolg zugerechnet wird, relativiert sich bei näherem Hinsehen. Seine Verdienste um den Verein muss man dabei nicht einmal kleinreden. Denn niemand kann ihm ernsthaft vorwerfen, dass er die sich bietenden Möglichkeiten immer konsequent nutzte.

Und jetzt kommt also heraus, dass der von so vielen hochgeschätzte Bayern-Macher ein paar Milliönchen an Steuern hinterzogen hat. Offenbar wird das durch eine Selbstanzeige. Allen, die jetzt eine angebliche „Vorverurteilung“ beklagen, sollten sich das vor Augen führen. Und diese Selbstanzeige ist nicht etwa die tätige Reue nach einem Prozess der inneren Läuterung, sondern die nackte Angst vor Strafverfolgung.

Die charakterlichen Eigenschaften des Uli H., zumindest deren offen sichtbarer Teil, sind schließlich auch verantwortlich für die Aufspaltung der öffentlichen Meinung in solche, die ihm seine kleinen Verfehlungen gern verzeihen wollen und jene, die ihn weggesperrt sehen wollen. Wenn man an die Jahrtausendwende zurückdenkt, damals sollte Hoeneß‘ Trainerkollege Christoph Daum die Nationalmannschaft anvertraut werden, wird wieder gegenwärtig, auf welche Weise Hoeneß das verhinderte. Erst machte er Andeutungen über mögliche Drogenprobleme des in Leverkusen tätigen Daum, dann drängte er ihn mit Äußerungen über den „verschnupften Daum“ so in die Ecke, dass der sich nur noch durch Lügen zu helfen wusste – und natürlich nicht Bundestrainer wurde.

Es darf unterstellt werden, dass Hoeneß auch anderes als nur das Wohl des deutschen Fußballs bei dieser Aktion im Sinn hatte; seine Vorgehensweise bei der Schwächung der Liga-Konkurrenten ist schon erwähnt. Überhaupt hat er allem Anschein nach immer all sein Tun dem Erfolg untergeordnet, wobei der Zweck oft genug die Mittel heiligen musste.

Nicht jeder findet das nun sonderlich bewundernswert, und so ist Bayern München denn auch der Verein, der am meisten polarisiert: Zumeist ist man entweder für oder gegen ihn. Gern verpflichtete der Verein Spieler, die gut zur hoeneß’schen Mentalität passten. Paradebeispiel: Torhüter-Legende Oliver Kahn war so vom Sieger-Gen besessen, dass man ihm alle möglichen Schandtaten zutrauen konnte, wenn dadurch eine Niederlage abzuwenden war, der Sportlichkeit zum Trotz.

Die Fans des Vereins dürfen sich oft genug über Siege freuen, Frusterlebnisse sind eher selten, seltener zumindest als für die Anhänger anderer Vereine. So mancher wird wohl gerade deswegen sein Herz für die Bayern entdeckt haben, denn die Anhängerschar wohnt beileibe nicht nur in München und Umgebung. Umgekehrt verhält es sich mit denen, die eher einen Sieg der jeweiligen Bayern-Gegener herbeiwünschen: Sie schlagen sich damit zumeist auf die Seite des Schwächeren und bauen auf die Chance des Außenseiters. Aber sie werden typischerweise gern auch mal zu Bayern-Fans, wenn es international zugeht.

Eine ähnliche Aufteilung scheint sich nun bei der Bewertung der Steueraffäre um Uli Hoeneß zu manifestieren: Bayern-Fans sind nachsichtig, Bayern-Gegner nicht. Schließlich geht es ja darum, ob die Selbstanzeige nach Ansicht der Justiz so erfolgte, dass eine Strafbefreiung zu gewähren ist für eine über längere Zeit und fortgesetzt begangene Straftat mit einem Millionenschaden für die Allgemeinheit. Wer als ehrlicher Steuerzahler oder gar Arbeitnehmer, dem jeden Monat die Steuerschuld gleich vom Gehalt abgezogen wird, der Ansicht ist, dass Uli Hoeneß in Anbetracht seiner ja so unendlichen Verdienste auf jeden Fall straffrei bleiben sollte, dem ist eigentlich nicht zu helfen. Denn der Mann gehört ganz einfach vor Gericht – und danach erst mal in eine Zelle.

1 Kommentar

  1. Als ehemalig langjähriger Selbständiger habe ich genügend Erfahrungen mit Steuerpflicht, Finanzämtern und den damit verbundenen Prüfungen gemacht. Ich war unternehmerisch sicher nicht annährend so erfolgreich wie der prominente Wurstfabrikant und arbeite heute wieder angestellt, bin gesetzlich krankenversichert und zahle Lohnsteuer an unseren Staat. Dabei akzeptiere ich auch, was immer der Fiskus dann damit anstellt. Ich hatte nie Schwarzgeld in Luxemburg oder der Schweiz. Mein „Zocken“ reduziert sich auf die wöchentliche Abgabe meines Lotto-Scheines. Ich bin also ein durchschnittlicher Deutscher. Und ja, ich bin kein Fan von diesem aufgeblasenen Superverein in München.
    Abgesehen davon habe ich kein Verständnis für alle, die einen Freispruch für U. Hoeneß fordern. Jemand, der in solchen Größenordnungen Steuern hinterzieht, besitzt eindeutig so viel kriminelle Energie, dass er sich auf jeden Fall dafür verantworten muss! Und ich rede hier nicht von „Zocken“, in das man sich sicherlich hineinsteigern kann, sondern von knallharter Hinterziehung über geheime Konten! Hoeneß´ viel gepriesene Wohltätigkeiten spielen meines Erachtens da keinerlei Rolle. Was sind schon (steuerlich absetzbare) Spenden hier und da im Vergleich zu 27,2Mio nicht gezahlten Steuern??? Peanuts, mehr nicht.
    Von daher hoffe ich, dass das gerade verkündete Urteil in der Revision Bestand behalten wird.
    Was wirkt besser auf die allgemeine Steuer-Ehrlichkeit in unserem Land, als ein prominenter Steuerhinterzieher, der hoffentlich bald ein prominenter Verurteilter ist?!
    Und entgegen der landläufigen Meinung hoffe ich auch, dass er sein Amt bei Bayern München niederlegt.

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