Herrenwitz-Brüderle in der Sexismus-Falle

Eigentlich wollte Stern-Autorin Laura Himmelreich nur ein Portrait des gerade zum FDP-Spitzenkandidaten gekürten Rainer Brüderle vorlegen. Sie leitete es ein mit der Schilderung eines schon ein Jahr zurückliegenden Erlebnisses mit dem Politiker, der ihr damals zu mitternächtlicher Stunde an einer Hotelbar das unbeholfene Kompliment zuteil werden ließ, sie könne „ein Dirndl gut ausfüllen“. Selbstredend hatte der rheinland-pfälzische Silbendieb dabei das Dekolleté der jungen Journalistin im Sinn und, so darf man wohl unterstellen, ein angemessenes Maß alkoholisierender Getränke im Blut.

Niemand, zu allerletzt die Autorin, so sagt sie zumindest, hätte damit gerechnet, dass nun alle Welt auf den „Spitzenmann“, der seinen Sprachfehler dem staunenden Publikum gern als prägenden Bestandteil seines heimatlichen Dialektes unterschieben möchte (wobei das schlichte Unterschlagen und Vernuscheln von kompletten Silben keineswegs zu irgendeiner in Rheinland-Pfalz gepflegten Mundart gehört), eindreschen würde. Er selbst hat sich bisher weder für seine als sexistisch gebrandmarkten Äußerungen entschuldigt, noch ein Wort der Erklärung von sich gegeben. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kann ein Lied davon singen, was die Springer-Presse und andere aus einer solchen Vorlage zu konstruieren im Stande sind, bei ihm sollte er vielleicht einmal nachfragen, wenn er wissen will, wie schlimm das noch werden kann.

Unangenehmer für alle anderen und in den Auswirkungen noch gar nicht abschätzbar ist allerdings das, was die nun entbrannte Diskussion zum Ergebnis haben könnte. Als gäbe es noch nicht genug Gängelungen und Einschränkungen durch blödsinnige Political-Correctness-Regeln, droht sich deren Korsett jetzt noch enger um jeden zu schnüren, der sich zu irgendwas äußert. Erinnern wir uns: Anfang der 90er Jahre sorgte eine als Gleichberechtigung missgedeutete Welle dafür, dass in jedem Fall und unbedingt immer beide Geschlechter anzusprechen waren. Heutzutage beginnt jede Rede mit „Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger!“, weil Bürger nun mal ein maskulines Substantiv ist, oder mit „Liebe Freundinnen und Freunde!“, wenn der Vortrag parteiintern adressiert ist. Der Begriff „Student“ wurde sogar ganz abgeschafft. Seitdem heißen die Universitäts-Absolventen „Studierende“ – alles im Sinne der künstlich in die Welt gesetzten „Political Correctness“. Was für ein Schwachsinn.

Jetzt ist damit zu rechnen, dass, wer Sexismus-Vorhalte umgehen will, trickreich jedem Verdacht auszuweichen hat. In den USA sind Tatbestände in die Strafgesetze eingeflossen, die zum Ergebnis haben, dass sich kein UNI-Professor mehr allein mit einer Studentin (sorry: Studierenden) in einen Raum begibt, dass kein Angestellter einen Aufzug benutzt, in dem außer ihm nur eine Kollegin mitzufahren gedenkt – aus lauter Angst davor, anschließend, auch wenn es dafür keinerlei Anlass gibt, einer sexuellen Belästigung geziehen und strafrechtlich belangt zu werden. Ähnliches, so ist zu befürchten, könnte auch bei uns in absehbarer Zeit Realität werden, wenn es so weitergeht, wie die Diskussion begonnen hat.

Dabei ist doch alles ganz einfach. Die Natur hat nun einmal ein paar Unterschiede in Männern und Frauen verbaut, über die sich eigentlich alle freuen sollten, geben sie doch dem Leben, zumal dessen zwischengeschlechtlichen Bereichen, erst die entscheidende Würze. Noch von unseren steinzeitlichen Vorfahren stammt wohl die genetisch fest verankerte Gepflogenheit, dass Männer zum Zwecke der Kontaktaufnahme mit dem Ziel nachfolgender Arterhaltungsmaßnahmen auf eine geeignete Frau zuzugehen haben, und nicht umgekehrt. Hinzu kommen ja auch noch andere Interessenkonflikte wie der, dass eine Frau innerhalb von neun Monaten immer nur das Kind eines Mannes austragen, ein Mann aber in einem viel kürzeren Zeitraum spielend neun Frauen schwängern kann.

Dieses Verhalten (gemeint sind sowohl das bei der Kontaktaufnahme, als auch das multiple Schwängern) ist in den Menschen so fest verankert, dass es zwar im Zuge der Zivilisierung modifiziert wurde (kein moderner Mann tritt mehr vor seine Höhle und fängt sich eine Frau, wenn er Lust auf Sex hat, oder?), aber im Grunde genommen immer noch praktiziert wird. Man kann das bedauern oder sogar als zutiefst ungerecht empfinden, zumal dann, wenn man ein schüchterner Mann ist, der womöglich auch noch Scheiße aussieht, gerade acht Abfuhren nacheinander erhielt und so nie eine finden wird. Aber ändern kann man es nicht.

Geändert hat sich allein die Vorgehensweise, zumindest ein wenig. Die Nummer mit dem schlichten Einfangen ist ja schon längst out. Männer haben vielmehr heutzutage die Objekte ihrer Begierde zu umgarnen, zu umwerben, zu umschmeicheln. Und zwar immer so lange, bis sie nickt. Oder auch nicht, was viel häufiger der Fall ist.

Jedenfalls wird dieser Vorgang deutlich erschwert, wenn zusätzliche Hürden aufgestellt werden, wie sie die (warum, zum Geier, eigentlich?) noch immer nicht im Ruhestand befindliche Alice Schwarzer gerade wieder heranschleppt. Der weinbeseelte Brüderle hat ja eigentlich nichts anderes gemacht als ein Kompliment. Dass die Adressatin das jetzt, ein ganzes Jahr später, nicht als solches auffasst, hat vielleicht mit dem Altersunterschied zu tun. Weil nämlich dasselbe Kompliment, wenn es ein Vierunddreißigjähriger macht, durchaus anders ankommen kann, als von dem doppelt so alten und verheirateten Brüderle. Hat sie vielleicht so lange gewartet, weil sie hoffte, den Altersunterschied aufholen zu können?

Egal. Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch längst nicht dasselbe. Denn Männer im Rentenalter, die nachts an einer Hotelbar jungen Frauen auf die Brüste starren, sind nun mal notgeile, alte Böcke, was sie für die Absonderung derartiger „Komplimente“ schon per Geburtsjahrgang disqualifiziert. Auch dann, wenn sie mit zweitem Vornamen „Spitzenmann“ heißen. Hätte der Brüderle vielleicht wissen können. Hat er aber nicht, weil es dafür eines gewissen Feingefühls bedarf. Das wiederum wäre in seinem Job eine Last, weshalb es ihm zweckmäßigerweise fehlt.

Nochmal zurück zur politischen Korrektheit: Was demnächst noch möglich sein wird beim Umgang von Männern mit Frauen, lässt sich so ganz genau noch nicht vorhersagen. Bei Twitter, Facebook usw. laufen ja ganz unglaubliche Diskussionrunden, und zigtausende Frauen erzählen von ihren unangenehmsten Erfahrungen. Dass es nicht angeht, wenn ein Chef seiner Mitarbeiterin, deren Schreibtisch gerade besetzt ist, seinen eigenen Schoß als Arbeitsplatz anbietet, sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Immer dann, wenn Abhängigkeitsverhältnisse im Spiel sind, hat sich derjenige mit dem entscheidenden Machtvorteil jede zweideutige Baggerei zu verkneifen.

Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen, ist aber scheinbar nicht so. Deshalb wäre ja schon etwas gewonnen, sollte es sich ein wenig verbessern. Aber Finger weg von neuen Regeln, Gesetzen gar. Am Beispiel USA lässt sich auch per Fernstudium einiges lernen, solche Verhältnisse kann niemand herbeiwünschen. Außer Alice Schwarzer vielleicht. Und wie schließlich Rainer „Spitzenmann“ Brüderle das Ganze seiner Frau erklärt, wäre auch mal nett zu erfahren. Ob er’s hinkriegt, so ganz ohne Herrenwitze?

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