Eine Frage der Moral

Guttenberg-Anhänger melden sich zu Wort – Peanuts oder Werteverfall?

Viersen (OPEN REPORT-kpl). Es gebe wichtigere Probleme zu lösen, als über die ihrer Meinung nach lässlichen Sünden des Verteidigungsmisiters Kart Theodor zu Guttenberg (CSU) zu diskutieren, meinen seine Anhänger, und finden sich zehntausendfach im Internet zusammen. Die Facebook-Seite «ProGuttenberg» generierte binnen kürzester Zeit fast 140 000 «Fans». Laut einer Emnid-Umfrage für «Bild am Sonntag» halten 57 Prozent der Deutschen nicht für einen Schwindler, während nur 28 Prozent das Gegenteil meinen.

Zugleich werden immer mehr Vorwürfe gegen Guttenberg erhoben. Im Blog Guttenplagwikia haben Internetnutzer nun schon mehr als 100 plagiierte Stellen in der Guttenberg-Dissertation aufgezählt. Außerdem, so der «Spiegel», hat der Minister den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages für die Beantwortung von Fachfragen bemüht, um die gelieferten Ergebnisse in seiner Doktorarbeit zu verwenden, aber nicht auf die Quelle hingewiesen. Weil der Dienst den Abgeordneten aber nur für ihre Tätigkeit als solche zur Verfügung steht, wird ihm auch dessen missbräuchliche Nutzung vorgehalten. Ferner kursiert der Vorwurf, aus der Hausarbeit eines Studienanfängers an der Freien Universität Berlin abgeschrieben zu haben, und manche vermuten, dass sogar ein oder mehrere «Ghostwriter» am Werk waren.

Die Argumente der Guttenberg-Befürworter klingen ähnlich denen, mit welchen selbst massivste Steuerhinterziehung zum Kavaliersdelikt verniedlicht wird. Und das in einer Zeit, in der Arbeitsverhältnisse wegen Bagatellen fristlos beendet werden und erst das Bundesarbeitsgericht die fristlose Kündigung einer Kassiererin aufheben muss, der die unrechtmäßige Einlösung von Pfandbons im Wert von einem Euro dreißig vorgeworfen wird. Die Präsidentin des hohen Gerichts stellte aber klar, dass Bagatell-Kündigungen wegen kleiner Diebstähle grundsätzlich möglich sind.

Arbeitgeber machen in solchen Fällen gern die unwiderrufliche Zerstörung des Vertrauens geltend. Das Vertrauen der Bevölkerungsmehrheit in zu Guttenberg hingegen scheint unverbrüchlich. Weil nämlich in jedem Hatz IV-Empfänger gern ein Leistungshinterzieher und Schmarotzer vermutet wird, ein Verteidigungsminister aber eigentlich nicht unbedingt einen Doktortitel braucht. Die, womöglich sogar noch unbeabsichtigte, Entwendung kleinster Beträge führt zur Entlassung. Guttenberg, der, sollten die Vorwürfe stichhaltig sein, sich seinen Doktortitel erschlichen und erschwindelt hat, soll aber unbedingt im Amt bleiben.

Solche Vergleiche mögen, was die Sache angeht, hinken. Sie machen jedoch deutlich, welche Grundhaltung sich im Land durchzusetzen verspricht. Und so wird die Affäre um Guttenberg auch zu einer Frage der Moral.

Es ist unmöglich, von außen alle Vorwürfe gegen ihn auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Stimmt aber davon auch nur die Hälfte, gehört es sich einfach, dass Guttenberg zurücktritt. Täte er das nicht, beschädigte er nicht nur das Amt: Das ginge vor allem zu Lasten seiner persönlichen Ehre – sofern solch ein Begriff heutzutage noch relevant ist.

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