Schalte ich den Fernseher ein oder das Radio, schlage ich eine Zeitung auf oder klicke ich die News im Netz durch: Es gibt derzeit nur ein Thema. Der Coronavirus ist allgegenwärtig.
COVID-19, Sars-CoV-2, ICD-10-WHO, Coronavirus, Epidemie, Pandemie – Alexa kann die Begriffsdefinitionen gar nicht so schnell ausplappern, wie ich ihr die Worte zurufe. Man muss ja informiert sein.
Heute Morgen war Blutabnahme beim Hausarzt. Im Wartezimmer steht rund ein Dutzend Stühle. Alle Wartenden hatten sich so platziert, dass zu ihren Nachbarn mindestens ein Platz leer blieb. Klar, ein bis anderthalb Meter Abstand sollten es schon sein, will man einer Ansteckung vorbeugen; weiß man ja. Auch ich hielt mich an die Regel, wählte zudem einen Sitzplatz am Ende einer Stuhlreihe – von links konnte mir also schon mal niemand zu nahe kommen. Der Patient nach mir hätte die Abstandsregel brechen müssen und blieb deshalb stehen. Die Sitzenden hielten ihre Lippen fest zusammengepresst und mir schien, dass manche sogar längere Zeit die Luft anhielten, um nicht versehentlich durch die Nase eine Virenprise einzuatmen.
Zuerst hatte ich daran gedacht, den Termin sausen zu lassen. Immerhin liefern mir COPD, KHK und Diabetes Typ 2 in Kombination mit meinem hohen Alter ausgezeichnete Argumente für eine Bewerbung um ein Bett auf der Intensivstation unseres Krankenhauses. Aber dann ging ich doch hin, denn ich hätte auch noch den Folgetermin für das Arztgespräch kippen müssen.
Nach erfolgtem Aderlass begab ich mich auf direktem Weg wieder zurück zu meinem festen Wohnsitz. Und das ist der Fernsehsessel mit freiem Blick auf den Flachbildfernseher und dem Computertischchen in unserem Wohnzimmer. Sicher ist sicher.
Von dort bringen mich nur noch Verpflichtungen der gerade beschriebenen Art fort, denen nachzukommen mir nach Abwägung aller Fürs und Widers sinnvoll erscheint. Versteht sich, dass ich niemand, wirklich niemand so nahe an mich heranlasse, dass ich mich infizieren könnte. Dass Borussia heute Abend ohne Zuschauer gegen den Effzeh spielen muss, hat sowieso nichts mit mir zu tun. Denn da wäre ich ohnehin nicht hingegangen, weil es mir im Stadion auch ohne COVID-19 mittlerweile viel zu eng ist.
Jetzt warte ich dringend darauf, dass es ein Coronavirus-Schnelltestgerät zu kaufen gibt. Ich werde dann jeden Besucher gleich an der Haustür abfangen und nur einlassen, wenn er negativ getestet wird. So sehe ich mich in meinem Fernsehsessel einigermaßen gewappnet und rechne mir gute Chancen aus, die Virenattacke zu überleben. Das Wort, das extra für meine Art der Krisenbewältigung erfunden wurde, ist AUSSITZEN.