Die Ossi-Versteher kosten wirklich Nerven

Ampelmännchen

DDR-Ampelmännchen - nichts geht mehr im ländlichen Raum Ostdeutschlands

Während die „abgehängten“ Landsleute in den ostdeutschen Bundesländern des Jammerns nicht müde werden, fühlen sich immer mehr Politiker bemüßigt, ihr Verständnis für deren schwierige Lebensverhältnisse zu bekunden.

Sogar Grünen-Chef Robert Habeck hat seine Versäumnisse im Umgang mit den geplagten Ossis reumütig eingeräumt. Und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) glaubt wahrscheinlich, mit seiner Anteilnahme seine Haut gerettet zu haben, weil er die Verluste bei der Landtagswahl noch in Grenzen halten konnte und ihm ein Weiterregieren, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, rechnerisch gelingen kann. Wobei vor allem CDU-Vertreter dazu neigen, in ihrer überschäumenden Empathie ungeniert Standpunkte von der AfD zu übernehmen, die man noch vor kurzem als unvereinbar mit der Parteilinie empfand. Selbst die Bereitschaft, mit den Faschisten zu koalieren, wird immer deutlicher erkennbar. Warum die Politiker sich der Erkenntnis verweigern, dass Anbiederung und Übernahme rechtsnationaler Standpunkte nur das Kreuz auf dem Wahlzettel beim Original zur Folge haben, wissen sie vermutlich nicht mal selbst. Und sie tun es immer wieder, statt der rechts-populistischen Hetze mit Abgrenzung zu begegnen.

Aber wie kommt es, dass sich fast jeder dritte Wähler im Osten für die AfD entscheidet, wohl wissend, dass von dieser noch nie ein brauchbarer Lösungsansatz für auch nur ein einziges der beklagten Probleme entwickelt wurde? Nur daran, dass der Bus zwischen Sorge und Elend im Harz nur alle 30 Minuten fährt, kann es ja wohl nicht liegen – wobei man sich noch fragt, wer da überhaupt so oft fahren will. Abgesehen davon sollten alle, die das für ein speziell ostdeutsches Problem halten, mal die Bewohner der Eifel oder des Hunsrücks befragen: Die Verhältnisse sind nämlich dieselben, ohne dass man dort sogleich Sehnsüchte nach einer faschistischen Regierung entwickelt.

Bundeszentrale für politische Bildung:

Im Jahr 2017 lebten 95,6 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund in Westdeutschland und Berlin. Mehr als jede vierte Person mit Migrationshintergrund lebte dabei in Nordrhein-Westfalen (26,2 Prozent), jeweils etwa jede Sechste in Baden-Württemberg und Bayern (17,5 bzw. 15,9 Prozent). Bezogen auf die jeweilige Bevölkerung der Bundesländer war ihr Anteil in den Stadtstaaten Bremen (32,0 Prozent), Hamburg (30,6 Prozent) und Berlin (29,4 Prozent) sowie in den Flächenländern Hessen (31,1 Prozent), Baden-Württemberg (30,9 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (28,4 Prozent) am höchsten. In Ostdeutschland lag der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung bei lediglich 6,8 Prozent (Westdeutschland mit Berlin: 26,5 Prozent, Deutschland: 23,6 Prozent). 


Der Fremdenhass ist dort am größten, wo die wenigsten Flüchtlinge leben: Im sächsischen Hirschfeld gibt es keinen einzigen, aber die AfD bekam 50,6 Prozent. Behauptungen wie: „Denen wird es vorn und hinten reingesteckt, und für uns ist nichts da!“ oder: „Flüchtlinge bekommen viel mehr Sozialhilfe als Deutsche!“ halten sich ebenso hartnäckig, wie sie erfunden und gelogen sind. „Die Flüchtlinge nehmen uns Deutschen die Arbeitsplätze weg!“ – auch so ein Quatsch. Denn erstens dürfen Flüchtlinge nach ihrer Ankunft gar nicht arbeiten, zweitens sind sie auch nach ihrer Anerkennung gegenüber Einheimischen schon wegen ihrer sprachlichen Defizite unterlegen. Das einzige Segment, in dem Flüchtlinge einigermaßen schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden können, ist der Niedriglohnbereich.

Und der Niedriglohnsektor in Ostdeutschland ist der größte Europas. Allein: Das ist den Migranten nicht anzulasten, und schon deren Anzahl ist dort äußerst gering (s. Info-Block), so dass sie auch nur marginal den Wettlauf um die Billigjobs beeinflussen können. Dass nicht genügend anständig bezahlte Jobs vorhanden sind, hat auch damit zu tun, dass nach der Wende das vorherige System „platt gemacht“ wurde; es gab danach kaum noch Arbeitgeber. Wenn wiederum die Schar der potentiellen Arbeitnehmer einen zu großen Anteil an gering qualifizierten jungen Männern aufweist, lässt das die Hoffnung schrumpfen, dass der Arbeitsmarkt sich wesentlich verändern könnte.

Hinzu kommt: Unternehmen schrecken inzwischen regelrecht vor Investitionen in einen Landstrich zurück, dessen Bevölkerung in weiten Teilen fremdenfeindlich eingestellt ist. Also wird es immer schwieriger, neue Arbeitsplätze dort anzusiedeln, wo niemand hin will. Selbst die einst in den ostdeutschen Bundesländern Ansässigen sind in Scharen gen Westen abgewandert. Geblieben sind, das gilt allerdings nur für den ländlichen Raum, die Alten und die gering Qualifizierten, und unter denen mehrheitlich Männer. Die gut ausgebildeten Frauen sind meist weg, was für zusätzliche Probleme und Frustration unter den Zurückgelassenen sorgt.

Was also ist zu tun, um für „gesunde“ Verhältnisse zu sorgen? „Herr, lass es Hirn regnen!“, möchte man bitten. Denn gebraucht werden gut ausgebildete, weltoffene und leistungsbereite Menschen, um für die Ansiedlung von Unternehmen wieder interessant zu werden. Hotspots wie Potsdam, Leipzig, Dresden florieren – auf dem flachen Land ist nicht nur die WLAN-Verbindung sehr oft mausetot. Dafür geht die Dumpfbacken-Quote dort durch die Decke. Ein Fortschritt wäre, die AfD wieder unter fünf Prozent zu drücken. Aber dafür müsste das Gebet erhört werden.