Mit dem ersten Rentenbescheid wird vieles anders. Vor allem aber sinkt das verfügbare Einkommen mehr, als viele zunächst glauben.
Wer, zum Beispiel nach Erreichen der Altersgrenze, zum Rentenbezieher wird, hat sich zumeist schon vorher auf eine Halbierung seines Einkommens eingestellt. Der erste Steuerbescheid nach dem Renteneintritt wird aber so manchem „Neurentner“ die Tränen in die Augen treiben.
Vor allem, wenn er seine Rente zum Beispiel dadurch aufbessert, dass er nebenher noch ein Gewerbe betreibt. Denn plötzlich meldet sich seine Krankenkasse, die vom Finanzamt über die Zusatzeinnahmen aus der selbständig ausgeführten Tätigkeit erfahren hat. Und die verlangt plötzlich auf die gewerblichen Erträge Versicherungsbeiträge. Verdient ein Rentner im Monat Tausend Euro nebenher, werden mit dem Renteneintritt Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung in Höhe von rund 185 Euro fällig, und zwar jeden Monat, bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 4.537,50 Euro. Als Angestellter mit fast doppelt so hohem Grundeinkommen musste der Rentner auf den Gewerbeertrag keinen Kassenbeitrag zahlen. Wer das nicht glaubt: Genau so habe ich es selbst erlebt.
Von jedem Euro, den der Rentner nebenher einnimmt, holt sich Vater Staat zunächst die darin enthaltene Mehrwertsteuer von 19 Prozent, das entspricht 16 Prozent der Gesamteinnahmen. Weitere 18,6 Prozent gehen, wie beschrieben, an die Krankenkasse. Und dann wird auch noch Einkommensteuer fällig – je nach individuellen Verhältnissen bis zu 42 Prozent. Die „Staatsquote“ bei von Rentnern erwirtschafteten Gewerbeeinnahmen beträgt also bis zu rund 77 Prozent.
Nehmen wir mal an, die Ehefrau des Rentners bezieht ebenfalls Altersrente. Beide wohnen zur Miete, weil das ihr inzwischen gehörende Wohnhaus der verstorbenen Eltern als Wohnsitz nicht infrage kommt. Denn es steht 250 Kilometer entfernt. Wäre sie nicht seinerzeit von dort fortgezogen, hätte sie nicht zeitlebens als Angestellte für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen können. Inzwischen ist ihr gesamtes soziales Umfeld am neuen Wohnort, und das Elternhaus ist darum vermietet. Würde das Rentnerehepaar darin wohnen, hätte es keine Miete zu zahlen – und gut wär’s. So jedoch muss es für die eigene Wohnung in etwa so viel Miete zahlen, wie es aus dem entfernten Elternhaus an Mieteinnahmen bezieht. Und was mach Vater Staat? Er kassiert von den Mieteinnahmen Einkommensteuer! Fazit: Weil die Rentnerin in jungen Jahren dafür sorgte, dass sie beständig Steuern und Sozialabgaben zahlen konnte, muss sie nun rund ein Drittel (je nach Einkommen) der die eigenen Mietzahlungen ausgleichenden Mieteinnahmen als Einkommensteuer abgeben. Und das war’s dann mit dem geplanten mietfreien Wohnen im Alter.
Treffen, wie in meinem Fall, gleich beide geschilderten Fälle tatsächlich zu, entwickeln sich schon massive Zweifel daran, dass es einen Kern von Gerechtigkeit in unserem Staatswesen gibt. Und heute ist der Tag, an dem sich diese Zweifel noch verstärken. Denn heute ist der Stichtag für die Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Vorjahr. Toll, dass der Termin erst jüngst um zwei Monate verlängert wurde. Aber warum haben Steuerzahler, die sich der Dienste eines Steuerberaters bedienen, dafür noch bis zum Februar im nächsten Jahr Zeit, ich aber, der alles selbst erledigt und sich in jedem Jahr mühsam durch die komplizierte Materie des Steuerrechts kämpft, nicht? Eine Übertragung der Aufgaben an einen Steuerberater würde Hunderte Euro kosten, die ich einsparen will. Die Strafe dafür ist eine kürzere Abgabefrist. Offensichtlich hat die Wirtschaftsprüfer-Lobby hier ganze Arbeit geleistet, um ihrem Berufsstand möglichst viele Mandanten in die Arme zu treiben.
Gerechtigkeit geht wirklich anders.