Nun ist sie also beschlossen, die EU-weite Urheberrechtsreform. Plattformen, die urheberrechtlich geschützte Inhalte veröffentlichen, ohne im Besitz einer Lizenz zu sein, dürfen sich auf einigen Ärger gefasst machen.
Eigentlich zielt die Regelung, so sagt man zumindest, auf den hemmungslosen Missbrauch des geistigen Eigentums Dritter zur Profitmaximierung durch einige wenige, dafür aber sehr große Plattformen wie YouTube, Facebook und so weiter. Dort werden mit Inhalten, die die User hochladen, Milliarden verdient, die Urheber aber entweder gar nicht oder nur sehr unzureichend an den mit ihren Werken erzielten Gewinnen beteiligt. Die Konzerne verfügen bereits über so genannte „Upload-Filter“, mit deren Hilfe zum Beispiel Audiodateien mit geschützter Musik identifiziert und abgewiesen werden können.
Um generellen Vereinbarungen mit den Urhebern von Wort-, Bild- und anderen Inhalten oder deren Verwertungsgesellschaften zu entgehen, die den Erlös der Internet-Giganten etwas schmälern könnten, wird es wohl so kommen, dass hochgeladene Dateien im Zweifel geblockt werden. Technisch wird es kaum möglich sein, legale Uploads mit vielleicht satirischen oder zitierenden Inhalten automatisch zu erkennen. Die Folge ist, dass mehr gelöscht wird, als das neue Gesetz verlangt. Genau dies befürchten die Gegner der Reform; sie sprechen gar vom „Tod des Internets“.
Die der gestrigen Abstimmung im EU-Parlament vorausgegangene Debatte erreichte eine nie da gewesene Dimension und eine beängstigende Schärfe. Seitens der Befürworter wurde mit Diffamierungen und falschen Behauptungen agiert, wenn beispielsweise behauptet wurde, Demonstranten seien für ihr Erscheinen bezahlt und E-Mails an EU-Abgeordnete von Bots versandt worden. Beides ist zwar widerlegt, steht aber nun einmal im Raum. Die Gegner sahen sich, von vielen ganz sicher ungewollt, Seit‘ an Seit‘ mit YuoTRube, Facebook & Co. Denn die wiederum hatten ihre User, vor allem aber auch die Influenzer mit Millionen Followern aufgestachelt, gegen das Gesetz zu agitieren. Die besseren Lobbyisten hatten in diesem Fall aber offenbar die Verlage, die sehr massiv eingegriffen und den Text des Gesetzes stark beeinflusst, wenn nicht sogar geschrieben haben.
Die überhitzte Debatte geht wohl auch nach der Parlamentsentscheidung weiter. Die CDU will allen Ernstes für Deutschland eine Regelung „ohne Upload-Filter“ finden – offenbar, weil das imKoalitionsvertrag mit der SPD vereinbart worden war. Wie das gehen soll, sagt sie nicht.
Vermutlich hat sie auch keine Idee, wie das funktionieren soll. Wie überhaupt zu beobachten ist, dass die sich an dem Thema abarbeitenden Politiker in den seltensten Fällen zu verstehen scheinen, um was es eigentlich geht.
CDU-Politiker behaupten nun gern, dass „kleine“ Unternehmen ja gar nicht betroffen seien. Hä? Neben nicht kommerziellen Seiten wie Wikipedia sind Online-Händler wie Ebay von der Pflicht ausgenommen, urheberrechtlich geschützte Werke nicht mehr unerlaubt zugänglich zu machen. Die Ausnahme gilt auch für Startups, die weniger als drei Jahre alt sind und deren Jahresumsatz unter 10 Millionen Euro liegt. Hier stimmen also Abgeordnete über ein Gesetz ab, dass sie entweder nicht gelesen oder nicht versanden haben. Oder beides.
Aha. Und was mache ich nun mit meinem seit 11 Jahren bestehenden Presseportal? Dort werden Google-Adsense-Anzeigen eingeblendet, somit ist es wohl als kommerziell zu betrachten, und es ist kein Startup mehr. Abgesehen davon müssen von dem 10-Millionen-Umsatz die meisten Nullen gestrichen werden. Es werden dort von den Herausgebern zur Illustration der im Portal veröffentlichten Pressemitteilungen in den meisten Fällen Fotos hochgeladen, an denen theoretisch Dritte Rechte haben können. Ich weiß es nicht. Ob die verwendeten Texte wirklich der Feder dieser User entstammen, weiß ich genauso wenig.
Wenngleich mein Portal ganz gewiss mit der Größenordnung von Facebook oder Youtube so wenig zu tun hat wie meine Rente mit der Pension eines EU-Abgeordneten, sehe ich nicht, wie ich hier als kleines Unternehmen von der Pflicht befreit werde, „nicht mehr unerlaubt urheberrechtlich geschützte Werke zugänglich zu machen“. Dann muss ich also einen Upload-Filter einsetzen, den ich natürlich nicht habe. Ich werde also bei einem der „Großen“ die entsprechende Technik kaufen müssen.
Die Folge: YouTube, Facebook & Co. werden keine zusätzlichen Lizensierungskosten übernehmen, um die Urheber angemessen zu entschädigen, sondern alle verdächtigen Inhalte blocken, wodurch das Internet ärmer wird, weil auch satirische und andere legale Inhalte den Filtern zu Opfer fallen. Andererseits tut sich ihnen ein neues Geschäftsfeld auf, indem sie ihre Filtertechnik an all die „Kleinen“ verkaufen können, die das Gesetz ja angeblich nicht treffen sollte.
Nein, diese Politiker wissen wirklich nicht, was sie tun. Ach, wäre es schön, wenn sie nur über Dinge befinden dürften, von denen sie etwas verstehen. Etwas, wohlgemerkt, keiner verlangt die Übernahme der Parlamente durch Fachidioten. So lange allerdings Minister Apps anpreisen, die Funklöcher aus einem Funkloch heraus melden, muss man sich über gar nichts wundern. Da wünscht man sich vielleicht doch eher Idioten, die wenigstens vom Fach sind.