Verzockt: Goodbye, Britannia!

Europa-Flagge

Europa muss sich rückbesinnen auf seine wirklichen Werte

Das war’s dann wohl. Die Briten wollen nicht länger in der Europäischen Union bleiben – und der Katzenjammer ist allenthalben groß. Nicht nur auf der Insel, auch den Noch-Partnern auf dem Kontinent wird erst allmählich bewusst, dass es nun wirklich Abschied zu nehmen gilt.

Eigentlich könnte man sich ja auch freuen. Schließlich haben sie schon immer genervt mit ihren Sonderwünschen und Extra-Ansprüchen. „I want my money back!“, tönte schon die „eiserne Lady“ Margret Thatcher, und ihre Nachfolger taten es ihr gleich. Die Brexit-Betreiber haben in einem beispiellos hässlichen und verlogenen Wahlkampf den Boden für die Austritts-Entscheidung bereitet.

Durch Großbritannien ziehen sich nun gleich mehrere tiefe Risse. Die Jungen jammern darüber, dass die Alten sie aus der EU zerren. Nun ja, liebe Jung-Engländer: Dann hättet ihr mal zur Abstimmung schreiten sollen, als es so weit war. Nicht mal 40 Prozent der Jungwähler haben mitgemacht. Die Schotten führen die gleiche Klage, nur in Richtung England und Wales, und wollen sich jetzt selbstständig machen. Die Nordiren denken an eine Vereinigung mit der Republik Irland, aber trauen sich nicht. Zu Recht, wenn man bedenkt, dass da bis vor ein paar Jahren noch heftig geschossen und gesprengt wurde. Sogar die Londoner hegen Autonomie-Phantasien.

Zwar droht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schon wieder einmal wachsweich umzukippen und den Briten in der bevorstehenden Auseinandersetzung Zugeständnisse machen zu wollen, weil sie den Verlust deutscher Arbeitsplätze befürchtet, wenn der britische Absatzmarkt schwerer zugänglich wird, jedoch gilt ihre Sorge wohl eher dem Wohlergehen deutscher Unternehmensgewinne. Klar, dass auch Arbeitsplätze betroffen sein können. Aber ist das wirklich ihre Hauptsorge?

Noch besteht die Hoffnung, dass diejenigen, die erstmal richtig sauer auf die Tommies sind, weitere Briten-Rabatte verhindern. Und dann wird der Schaden vor allem auf britischer Seite entstehen, und das ist auch gut so. Denn niemand verkörpert die Raffgier-Mentalität, die dazu führt, für das eigene Land die maximalen Vorteile aus der EU-Mitgliedschaft zu Lasten anderer Mitglieder zu ziehen, so sehr wie Großbritannien, aus dem nach der Abspaltung Schottlands schnell ein Kleinbritannien werden könnte.

In der EU muss jetzt endlich mit der Beseitigung der ärgsten Missstände begonnen werden. Dazu gehört eine Neuordnung der Zuständigkeiten. Brüssel sollte die Kompetenz zur Festlegung von Gemüse-Formaten entzogen und statt dessen ein Weg gefunden werden, Steuer- und andere Gesetze anzugleichen. Ein Kernanliegen der Gemeinschaft muss es sein, den Lebensstandard in den EU-Ländern auf ein weitgehend einheitliches Niveau zu bringen. Weil nicht gewollt sein kann, die Standards irgendwo abzusenken, um dieses Ziel zu erreichen, werden die, die besser dastehen, den anderen wohl oder übel etwas abgeben müssen. Immerhin zieht zum Beispiel Deutschland große Vorteile daraus, freien Zugang zu sämtlichen Märkten in der EU zu haben. Da sollte es eigentlich selbstverständlich sein, in die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in den betroffenen Regionen angemessen zu investieren.

Schließlich sollte eine Rückbesinnung erfolgen. Eine Rückbesinnung darauf, dass Europa auch eine Wertegemeinschaft ist und nicht nur eine Geldverschiebe-Institution. Bei allen Diskussionen geht es immer um finanzielle Themen, und jeder jammert über seine gefühlte Benachteiligung. Dabei geht es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes: Nämlich um ein europäisches Lebensgefühl, um das Wissen um gemeinsame moralische und ethische Grundausrichtungen, die es endlich mal wieder in den Vordergrund zu stellen gilt.

Wenn nicht alle EU-Länder – immerhin sind in einigen rechts-populistische Auswüchse schon weit fortgeschritten – daran teilnehmen wollen – bitte schön. Dann müssen eben die, die einen gemeinsamen Weg gehen wollen, notfalls voranschreiten. Ein oft negiertes „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ ist allemal besser als eines mit rein pekuniären Gemeinsamkeiten und rückwärts gewandten Nationalisierungs-Tendenzen. Denn ein solches Europa würde über kurz oder lang einfach nur zerbröseln.

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