Und der Planet dreht sich weiter

Reichstag in Berlin

Reichstag in Berlin - Foto: pixabay.com

Artikel aktualisiert am 23.12.2018

So, das war’s also. Die Groß-Koalitionäre büßten massiv Wählerstimmen ein, die an FDP und AfD gingen. Die FDP ist wieder da – obwohl sie kaum jemand vermisst hatte. Die Rechtspopulisten wurden sogar drittstärkste Kraft und ziehen mit fast einer Hundertschaft in den neuen Bundestag ein. 

So sehr viele gerade darüber schockiert sind: Überraschend ist es nun wirklich nicht. Das Ergebnis entspricht vielmehr in etwa dem der Umfrage von Infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend aus dem Dezember vergangenen Jahres. Man wusste, was kommen würde.

Und es ist nicht der Weltuntergang. Ob österreichische FPÖ, französischer Front National, italienische Lega Nord, niederländische Partei für die Freiheit oder andere: Rechtspopulisten in vielen europäischen Ländern finden durchweg mehr Zustimmung bei den Wählern als die deutsche AfD.

Es ist nur schwer zu verstehen, warum die Große Koalition so deutlich abgestraft wurde – hatte sie doch für beinahe jeden ein Bonbon parat. Es gab den Mindestlohn und die Rente mit 63, eine Besserstellung für Mütter und für Arbeitsunfähige, um nur einige zu nennen. Zugegeben: Die Bayern steuerten einigen Nonsens bei, siehe Herdprämie oder PKW-Maut. Die Flüchtlingszahlen sind auch nicht mehr dramatisch. Warum also erhielten CDU und SPD vierzehn Prozent weniger als 2013?

Die größte Aufregung über die Regierungspolitik zum Themenbereich der Zuwanderer herrscht dort, wo die wenigsten leben: Im Osten Deutschlands. In Sachsen wurde die AfD stärkste Kraft. Und in den westlichen Bundesländern, deren Bevölkerung es doch angeblich am besten geht, bekam sie über zwölf Prozent: In Bayern und Baden Württemberg. Prompt kündigt die CSU an, sich rechts nicht mehr überholen lassen zu wollen. Alles schon mal da gewesen. Und wenig Erfolg versprechend, weil im Zweifel das „Original“ gewählt wird. Der Verzicht auf eigene Standpunkte bei gleichzeitigem Plagiieren fremder Inhalte ist im Grunde genommen eine politische Dummheit.

Es muss also andere Gründe für die Verunsicherung geben, die viele Wähler erfasst hat. Die Angst vor Überfremdung, Kriminalität und Terrorismus spielt eine Rolle. Diese ist nicht durch Tatsachen und Zahlen zu erklären, wohl aber durch die Form der Berichterstattung und die Verarbeitung in sozialen Medien.

Vor allem die Globalisierung erscheint vielen als diffuse Bedrohung. Das liegt an der Komplexität dieser Entwicklung, die kaum jemand wirklich durchdringt. Als scheinbar einzige Lösung wird die Abschottung gesehen, also das Verschanzen hinter den Landesgrenzen, die Verherrlichung nationaler Ideologien, die Verteufelung alles Fremden. Wer sich selbst gering geschätzt fühlt, entwickelt leicht ein Überlegenheitsgefühl gegenüber Minderheiten und beteiligt sich an deren Ausgrenzung.

Dass es, wie am Beispiel der Globalisierung besonders deutlich wird, keine einfachen Antworten auf sehr komplexe Fragestellungen gibt, machen sich Populisten zunutze – mit Erfolg, wie man sieht. Die AfD arbeitet mit einfachen, eingängigen Parolen, die unvollständige, falsche oder frei erfundene Fakten als Grundlage benutzen. Auch Verschwörungstheorien werden gern verwendet oder selbst in die Welt gesetzt. Und es ist wiederum die komplexe Sachlage, die verhindert, dass derartige Propaganda als solche erkannt wird.

Es ist zu erwarten, dass die AfD-Abgeordneten im Bundestag ihr bisheriges Verhalten beibehalten werden, also provozieren, beleidigen und lügen, dass sich die Balken biegen. Brauchbare Lösungsansätze sind von ihnen nicht zu erwarten. Die anderen Parteien haben die Aufgabe, all dies aufzudecken und dagegen vorzugehen, was eine völlig neue Grundstimmung in das Parlament tragen kann. Genau das haben offenbar über zwölf Prozent der Wähler gewollt.

Was bleibt, ist die, allerdings auch Mut machende, Erkenntnis: Die AfD-Anhänger sind nicht das Volk. Über siebenundachtzig Prozent haben die AfD nicht gewählt.

 

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