Populismus-Alarm: Alle Macht den Lügenbolden

Donald und Melania Trump

Die Lüge als Stilmittel - Foto: By Marc Nozell from Merrimack, New Hampshire, USA (20160208-DSC08078) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Vladimir Putin beherrscht sie meisterhaft, die Kunst der dreisten Lüge – ob im Ukraine-Konflikt, nach dem Abschuss von Flug MH17 oder der Annexion der Krim: Putin rechtfertigte sich mit Lügen. Der Erfolg der Brexit-Kampagne in Großbritannien basierte auf den von Boris Johnson und seinen Weggefährten verbreiteten, unwahren Behauptungen. Schon am Tag nach der Abstimmung wurde den meisten klar, dass der Austritt aus der EU keinesfalls immense Geldströme in das britische Gesundheitssystem auslösen würde. Sieben von zehn Argumenten des US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump sind  entweder weitgehend falsch, falsch oder komplett gelogen, wie Faktenchecker in den USA herausfanden.

So einfach es ist, Lügenbolde mit Hilfe der Faktenlage zu enttarnen: Es nutzt nichts. Denn die jeweilige Anhängerschaft glaubt einfach, was sie glauben will, völlig losgelöst von den Tatsachen. Hierzulande lässt sich das Phänomen am Beispiel der AfD besichtigen, die ihr Führungspersonal ständig neue Falschbehauptungen in die Welt setzen lässt.

Üblicherweise wird diese Taktik begleitet von einem weiteren Stilmittel: der permanenten Wiederholung. Die einmal in die Welt gesetzten Lügen werden so oft erneut gestreut, auch unter Inanspruchnahme moderner Kommunikationsmittel und sozialer Medien, bis es nicht mehr geht. Lässt sich die Enttarnung einer solchen Lüge nicht mehr unterdrücken, nehmen die Urheber Abstand von ihren Falschbehauptungen, wobei teils fadenscheinige, teils groteske Gründe herhalten müssen, wie der auf der Computertastatur abgerutschte Fingern der AfD-Bundesvorsitzenden Beatrix von Storch (das ist dieselbe, die neulich in einer Talk-Show allen Ernstes verkündete, Bundeskanzlerin Angela Merkel [CDU] plane, sich nach Südamerika abzusetzen).

Allein: Die Lüge ist dann bereits in den Köpfen derer, die es zu gewinnen oder, sofern sie bereits der eigenen Anhängerschaft zuzuordnen sind, zu befriedigen gilt. Mit Sicherheit glauben bis heute noch viele AfD- und Pegida-Sympathisanten an die Mär von der Vergewaltigung der 13-jährigen Deutschrussin Lisa durch Migranten, obwohl der Sachverhalt längs als völlig frei erfunden aufgeklärt ist.

Im aktuellen US-Wahlkampf ist der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump besonders erfinderisch, wenn es darum geht, seiner demokratischen Kontrahentin Hillary Clinton immer neue Skandale anzudichten. Ihr alle Missstände der letzten dreißig Jahre anzulasten, die man sich nur vorstellen kann, erscheint schon höchst irrational. Dann aber auch noch weitere zu erfinden, sollte ihn eigentlich vollends disqualifizieren.

Tut es aber nicht. Trump geht mit der Behauptung hausieren, das Leben in amerikanischen Innenstädten würde immer gefährlicher, die Kriminalitätsrate erreiche inzwischen immer neue Rekordwerte. Es kümmert den Muster-Populisten nicht die Bohne, dass die Kriminalität seit Jahren kontinuierlich zurückgeht. Seine Zuhörer auch nicht; sie glauben ihm diesen Schwachsinn. Selbst dann, wenn Trump eindeutig widerlegt wird, schadet ihm das nicht. Man müsse, so wird er dann in Schutz genommen, seine Aussagen nicht immer so wörtlich nehmen.

Das alles erscheint „normal“ tickenden Zeitgenossen ausgesprochen skurril, ist aber die aktuelle Realität. Das Phänomen wurde schon mit der Bezeichnung „postfaktisches Zeitalter“ versehen – ein Hinweis darauf, dass sich die Meinungsbildung völlig von der Faktenlage entkoppelt hat.

Mit Argumenten, und seien sie noch so fundiert, ist den politisch und/oder medial aktiven Lügenbolden ebenso wenig beizukommen, wie den unreflektierten Konsumenten jedweden Blödsinns, die ja auch Wähler sind. Und so ziehen sie denn reihenweise in die Parlemente ein (wie die AfD in Deutschland und andere Rechtstpopulisten in verschiedenen Ländern), festigen ihre Macht (wie Putin in Russland oder Erdogan in der Türkei) oder schicken sich gar an, das Weiße Haus zu erobern. Der Schaden, den sie durch die Besetzung einflussreicher Positionen anrichten werden, ist unermesslich.

Was also tun? Mit den derzeit verfügbaren Mitteln scheint man dem Phänomen nicht beizukommen. In den USA und Europa ist das Recht auf freie Meinungsäußerung ein hohes Gut, in Russland kann Putin ohnehin schalten und walten, wie er will. Ähnlich sieht es in der Türkei aus, wo Präsident Recep Tayyid Erdogan einfach jeden zum Terroristen erklärt, der ihm nicht passt, und ihn auf die eine oder andere Weise aus dem Verkehr ziehen lässt.

Vielleicht sollte man sich der freien Meinungsäußerung einmal etwas intensiver annehmen. Veröffentlicht in Deutschland zum Beispiel ein Presseorgan eine Behauptung, die sich als falsch herausstellt, kann es zu einer Gegendarstellung gezwungen werden. Zwar erreicht diese in den meisten Fällen bei weitem nicht dieselbe Wirkung wie die zu Grunde liegende Falschmeldung, jedoch kann das Verfahren als solches womöglich als Vorlage für das Verhalten in politischen Auseinandersetzungen dienen.

Wie wäre es, wenn Falschbehauptungen als solche ganz allgemein verfolgt würden und der oder die Urheber gezwungen werden könnten, sich zu korrigieren. Für den Wiederholungsfall wären wirksame Sanktionen hilfreich. Beklagt ein AfD-Politiker beispielsweise wieder einmal ein Verbrechen durch Asylbewerber, dass es gar nicht gab, wird er dazu verurteilt, eine Richtigstellung zu verbreiten. Hält er sich nicht daran, oder setzt er neue Falschmeldungen in die Welt, sollte dies eine Sanktionierung (Geldstrafe bis hin zum Freiheitsentzug) nach sich ziehen. Befindet sich die Partei des Übeltäters in einem Wahlkampf, sollte er zudem von jeder Kandidatur ausgeschlossen werden können.

Schon jetzt gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht unbeschränkt. Artikel 5 des Grundgesetzes bestimmt in Absatz 2: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ Ergänzt man dies jetzt durch geeignete Durchführungsverordnungen und die Einrichtung von Kapazitäten für die strafrechtliche Verfolgung und schnelle gerichtliche Aburteilung, könnte den notorischen Lügnern das Wasser abgegraben werden.

Geschieht hingegen weiterhin nichts anderes, als allgemein über die Missstände zu jammern, heißt unsere Bundeskanzlerin irgendwann Frauke Petry. Das wäre dann die Kapitulation vor der populistischen Lüge.

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